Menu

Ein Lehrer unterrichtet, was der Schüler braucht


Ein Lehrer unterrichtet, was der Schüler braucht
0 Comments

Ein guter Lehrer unterrichtet nicht, was der Schüler will, sondern was der Schüler braucht!

Mein Training ist sehr vielseitig. Grob kann man sagen, von traditionell, über sportorientiert bis hin zu Reality-based! Ich unterrichte, was meine Schüler vorwärts bringt. Eine traditionelle Kampfkunst hat immer wieder Aspekte, die ein Neuling nicht versteht. Und damit meine ich jetzt nicht die Bewegung an sich, sondern er versteht nicht, was ihm oder ihr der Aspekt bringen soll.

So verhält es sich zum Beispiel mit dem traditionellen Stockkampf (Hanbo-Jutsu) oder dem Training mit Langwaffen wie Bo (180cm Stock), Yari (Speer) oder der Naginata (Hellebarde) und nicht zuletzt mit dem Kenjutsu (Schwertkampf). Niemand kämpft heute mehr mit einer Lanze oder einem Speer, niemand kämpft heute mehr mit einem Katana (obwohl wir ja neulich in Stuttgart einen Zwischenfall mit einer solchen Waffe hatten). Das mag alles richtig sein.

Und doch macht es Sinn!

Das Zauberwort heißt “Bewegungsschatz”!

Momentan arbeite ich an einem Script zum Thema Trainingslehre, da ich demnächst einen Ausbildungskurs für Fitness-Trainer unterrichten werde. Und dieser Begriff aus der Trainingslehre beschreibt es sehr gut, warum ein moderner Kampfkünstler sich mit den alten Waffen beschäftigen sollte!

Definition:

Repertoire von im motorischen Gedächtnis (Bewegungsgedächtnis) gespeicherten Bewegungsprogrammen, von angeeigneten grundlegenden und speziellen Bewegungsfertigkeiten und Bewegungshandlungen. (Hinz, Peter; Prof. Dr. paed. habil.)

Der Bewegungsschatz ist Bestandteil der Bewegungserfahrung. Im Sport ist ein großer Bewegungsschatz Voraussetzung für erfolgreiches Handeln (besonders in den situativen und technisch-kompositorischen Sportarten) und demzufolge eine Aufgabe im motorischen Lernen bzw. Trainingsprozess jüngerer Sportler. (Pellmann. Christel; Dr. paed)

Ich kann mich zurück erinnern, als uns mein Ausbilder bei meiner Fitness-Fachwirt Ausbildung 2007 erzählte, dass zum Beispiel Kugelstoßer in der ehemaligen DDR auch Geräteturnen, Leichtathletik oder Fußball-Tennis trainierten. Das war für mich sehr erstaunlich, denn diese Sportarten haben ja mit dem Kugelstoßen absolut garnix zu tun. Und doch zeigte sich, dass solche Sportler ein sehr gutes Körpergefühl hatten und so auch erfolgreicher waren.

Die traditionellen Waffentechniken verknüpfen den Körper neurologisch besser. Der Körper lernt neue Bewegungsmuster, es werden Muskeln trainiert, die man sonst im normalen Kampfsport so nie trainieren würde oder könnte. Es schult das Raumgefühl, Distanz, Timing, Intuition! Und es schult den Sinn für Perfektion! Kann man im Sport einen Treffer einfach mal wegstecken, kann man im Schwertkampf das nicht. Im Sport sehe ich einen Menschen, der im Grunde genommen lediglich seine Muskeln und Reflexe trainiert, in der Kunst sehe ich jedoch einen Menschen, der darüber hinaus, seinen Geist trainiert. Einstimmung auf die Aktion, Einstimmung auf die Perfektion, Konzentration. Dann die Ausführung! Wieder Ruhe. Nachdenken, in-sich Gehen, Selbstreflektion, Selbstkritik und dann wieder von vorne! Statt Quantität, kommt Qualität! Statt Eile kommt Ruhe und Konzentration!

Ich beobachte meine Schüler, die sich auf die traditionellen Techniken eingelassen haben. Schaue mir deren Beinarbeit, deren Bewegungen an. Sie sind flüssiger, geschmeidiger, kraftvoller. Sie reagieren auf neue Situationen entspannter. Auch menschlich sind sie entspannter, interessierter, offenherziger….

Kenjutsu. Perfektion in Zeit und Raum!

Leider bemerke ich in den letzten Jahren mehr und mehr einen Trend: Junge Menschen haben keine Geduld mehr. Alles muss schnell und leicht erlernbar sein. Selbst Kampfkunst wird mehr zum Entertainment. Fällt einem ein Trainingsbereich schwer, versucht man ihn zu meiden oder hört gleich ganz auf zu trainieren.

Das ist schade. Denn das traditionelle Training hat mich (meiner Meinung nach) zu einem effektiven Kämpfer gemacht. Mit meinen 50+ Lebensjahren und diversen Handicaps, die sich über die Jahre angesammelt haben, hilft mir genau dieser Bewegungsschatz, mich an Probleme anzupassen! Als ich Ende der 80ziger Jahre mit dem Training, oder besser gesagt, Studium des Ninjutsu angefangen hatte, hatte ich zu meinem Lehrer das Vertrauen, dass alles, was er mir beibringt, mich vorwärts bringt. Ich hatte das Vertrauen und auch die Disziplin, dass zu tun, was er von mir und meinen Mitschülern verlangt hatte.

Und letztendlich geht es doch auch darum, eine alte Kampfkunst mit all ihren Facetten kennen zu lernen, zu studieren. Ich finde das spannend, denn es erweitert die Weltsicht, erweitert den Geist.

 

Ist es somit gut, meine Schüler damit zu konfrontieren? Ja!

Lasst Euch drauf ein! Habt Geduld!

1 thought on “Ein Lehrer unterrichtet, was der Schüler braucht”

  1. Das Ideal ist, dass man das Alter aufgrund des Trainings vergisst. Man wird zeitlos, obwohl man älter wird.

Schreibe einen Kommentar